Der folgende Beitrag wurde uns von Christiane Juilfs vermittelt. Ich bedanke mich im Namen aller Langeoog-Fans, herzlich dafür. Danke Chris.
V I E R - W O C H E N lang fest im eiskalten W I N T E R G R I F F.
Erinnerungen an den strengen Frost vor 50 Jahren / Er begann Ende Januar / Erst Ende Ferbruar schmolz langsam das Eis.
Der 24.Februar 1956 war ein "schwarzer Tag im Eisnotwinter".
"Winterfreuden" unter dieser Überschrift berichtete der "Anzeiger für Harlingerland" am 31.Januar erstmals über strengen Frost in Ostfriesland. Es wurde erzählt, dass Gräben und Teiche zugefroren sind und das geschöfelt wird. An dem Tag waren es wirklich noch Freuden. Was zu dem Zeitpunkt jedoch keiner wusste - über Europa sollte eine Kältewelle hereinbrechen, die auch Ostfriesland vier Wochen lang fest im eisigen Wintergriff hatte.
Schon einen Tag nach dem Bericht über die Winterfreuden war die Lokalseite aus dem Harlingerland mit dem Titel "Wieder vor einem Eisnotwinter?" überschrieben. Erinnerungen an die Wetterlage von 1954 wurden wach. Auch da wehte ein eiskalter Ostwind, der nicht nur für niedrige Wasserstände, sondern auch für heftigen Eisgang sorgte. Am 1.Februar 1956 meldete der "Harlinger", dass die Verkehrsverbindung zwischen Spieckeroog und Wangerooge lahm gelegt sei, die Fähren nach L A N G E O O G könnten noch fahren. Und zu gleich wurde darauf hingewiesen, dass "ein mächtiger Strom von Kaltluftmassen aus Nordosten nach Mitteleuropa fließt".
Dass die Lage quasi im Stundentakt bedrohlicher wurde, wird aus der Berichterstattung am 2.Februar deutlich. "Keine Verbindung mehr mit L A N G E O O G", meldete der "Anzeiger für Harlingerlang".
Erst mit Unterstützung der DGzRS-Motorrettungsboote "L A N G E O O G" und "L Ü B E C K" konnten schließlich die Inseln Langeoog und Wangerooge einige Tage später wieder angefahren werden. Damit war zumindestens die Zustellung von Post gesichert. Und wiederum einen Tag später. am Montag den 6.Februar, erreichte auch die "L A N G E O O G III" wieder nach einem Kampf durch dicke Eisblöcke den Hafen in Bensersiel.
Dann fiel die Quecksilbersäule wieder- teilweise bis auf 15° unter Null. Die Hoffnungen auf wärmere Temparaturen waren zerschlagen. "Erst gegen Anfang März Tauwetter", hieß es am 10.Februar 1956 im "Harlinger". Und tatsächlich, nur einen Tag später lautete die Schlagseite der Titelseite: "Sibirisches Wochenende in ganz Europa". Bis zu minus 35 Grad wurden gemessen. Die Folgen in den nächsten Tagen: die Fährverbindungen zu den Inseln brachen wieder zusammen. "Rettungsboot 'L A N G E O O G' im Eisnotdienst" meldete der "Anzeiger für Harlingerland" am 14.Februar. (Sche... Valentinstag, Anmerkung von mir). Das Schiff der DGzRS wurde sogar extra mit mehr Diesel beladen, um für seinen Einsatz im Eis schwerer zu sein. Die "L A N G E O O G" lief nicht nur seinen eigenen Heimathafen an, sonder auch die Nachbarinseln Juist und Wangerooge.
Die Situation spitzte sich weiter zu - im gesamten Europa. Bis mitte Ferbruar waren beispielsweise in Italien schon 90 Menschen an den Folgen der Kältewelle erfroren. Die amerikanische Luftwaffe musste zwischen Deutschland und Süditalien eine Luftbrücke einrichten, um Lebensmittel und warme Kleidung einzufliegen. Und auch an der ostfriesischen Nordseküste wurde es immer heftiger. Minus 14 Grad wurden am 15.Februar in Bensersiel gemessen. Die "L A N G E O O G" kämpfte sich durch meterdickes Eis. Dabei wurde es eng, denn an Bord befand sich ein 16-jähriges Mädchen mit einer akuten Blinddarm entzündung und ein Mann mit einem Beinbruch. Das Rettungboot schaffte es und lieferte die "Passagiere" sicher in Bensersiel ab.
Die Baltrumer mussten sich in diesen kalten Zeiten anders helfen. Sie schickten beispielsweise eine Kolonne aus Männer los, die die Post vom Festland abholte. Auf dem Rückweg kam den Insulanern, die mit 14 schweren Postsäcken (Posträuber wie in England damals,*g* Anmerkung von mir) beladen waren, schon das Feuerwehrauto entgegen - es war einfach bis zu zwei Kilometer über das vereiste Watt gefahren.
Und dann ging fast nichts mehr: Temparaturen von über minus 20 Grad ließen die Eisplatten immer dicker werden. Vor dem Bensersieler Hafen wurde an der Kugelbake ein Nothafen eingerichtet - die Fahrrinne war nicht mehr passierbar. Um den notgedrungenen "neuen Hafen" des rettungsbootes "Langeoog" erreichen zu können, mussten die Menschen den ganzen Weg über das Eis der Fahrrinne zu Fuß gehen. Und doch: "Die bisher größte postalische Eisnot - Aktion mit Hilfe der Rettungsboote ,Langeoog' und ,Lübeck'", hieß es am 22.Februar im Harlinger". Drei Inseln - Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge - wurden weiterhin mit Post versorgt. Hinzu kamen teilweise heftige Schneefälle im ganzen Harlingerland. Zeitweise waren Straßen nicht mehr passierbar.
Dann kam der 24.Februar 1956. Es war, wie der "Harlinger" berichtete, "ein schwarzer Tag für den Eisnotdienst". Das Rettungsboot "Langeoog" fiel wegen eines Kurbelwellenbruches aus, die "Lübeck" lag im Wangerooger Hafen im Eis fest und konnte keinen Diesel mehr bunkern.
Wer versorgt jetzt die Inseln?" lautet die große Frage. Sie konnte erst zwei Tage später gelöst werden. Die Rettung kam mit dem einsetzenden Tauwetter. Das droße DGzRS-Rettungsboot "Borkum" schaffte es, sich bis nach Langeoog durchzuschlagen, die auf Wangerooge festliegende "Lübeck" konnte endlich wieder Diesel tanken und stellte die Versorgung der inseln Spiekeroog und Wangerooge sicher. "Alles deutet darauf hin, dass dieser Eisnotwinter mit all seinen Schwierigkeiten im Inselverkehr bald überwunden sein wird" , hieß es am 28.Februar im "Anzeiger für Harlingerland".
Dann ging es relativ schnell, die Situation entspannte sich stündlich. Schon am 29.Februar hieß es "Das Eis ist in Bewegung - die Sieltore sind nicht mehr blockiert". Und wiederum einen Tag später titelt der "Harlinger" : "Weststurm als mächtiger Eisbrecher - bald wieder normaler Inselverkehr". Der Eisnotwinter 1956 war endlich überwunden, die Verbindungen zwischen den Inseln und dem Festland konnte langsam wieder planmäßig verlaufen. Tage später wurde das Rettungsboot "L A N G E O O G" in die DGzRS-Werft nach Lemwerder geschleppt. Die Reparatur der gebrochenen Welle zahlte das Land Niedersachsen.