Zum 100. Geburtstag: Geschichte(n)
rund um das Langeooger Wahrzeichen (Folge 2)
Die Monate Februar bis Juni waren die Monate der Handwerker. Die planerischen Vorgaben waren weitgehend geklärt, die Finanzierung war gesichert, jetzt war Bauen angesagt. Und das an allen Ecken und Enden gleichzeitig. Der Vertrag über die Errichtung der Wasserleitung und Kanalisation auf Langeoog verpflichtete die Berlin-Anhaltische Maschinenbau Actien-Gesellschaft (Bamag), die Arbeiten bis zum 1. Mai 1909 zu beenden, um einen ungestörten Verlauf der Badesaison gewährleisten zu können. Parallel zum Wasserturm entstand das Maschinenhaus, in dessen Nähe vier Brunnen gesetzt wurden. Im Dorf mussten die Straßenbeläge, wo vorhanden, aufgenommen werden; die Wasser- und Kanalrohre sollten mindestens 1,50 Meter tief liegen, um frostsicher zu sein. Die Hauptstränge der Wasserleitung aus innen asphaltiertem, gusseisernen Rohr waren zu verlegen, ebenso die Kanalrohre und die 90 Hausanschlüsse. Anschlusszwang bestand für alle Bewohner, die Gästebetten anboten. Es galt, alle erforderlichen Materialien rechtzeitig vor Ort zu haben. Und das Wetter musste mitspielen.
„Johann Eilts sprang ein“
Über die Bauarbeiten selber gibt es leider wenig Zeugnisse und Fotos. Die Hauptarbeiten führte Johann Eilts durch. Der 1881 in Bensersiel geborene gelernte Zimmermann war seit 1901 immer wieder auf Langeoog als Geselle tätig. Am 18. März 1908 ließ er sich endgültig auf der Insel nieder, weil er sich vom Bauboom des aufstrebenden Nordseebades in diesen Jahren Brot und Arbeit versprach. Dass er den Bau des Wasserturms ausführen durfte, war für den Unternehmer wohl ein Glücksfall. Sein Enkel „Jojo“ Eilts berichtet, dass der eigentlich beauftragte Bauunternehmer unerwartet verstorben war und Johann Eilts einsprang – eine Riesenchance für den „Neuen“. Ob die Insulaner über den „Zugereisten“ die Nase rümpften, ist nicht bekannt, aber durchaus denkbar. Jedenfalls packte Eilts die Sache an und führte sie erfolgreich zu Ende.
Es gibt ein Buch, in dem Johann Eilts die Lohn- und Materialkosten seiner Aufträge mit Rechnungsbetrag aufgeführt hat. Verzeichnet sind darin Arbeiten aus den Jahren 1908 bis 1912 und 1924 bis 1926. Drei Seiten im Jahr 1909 sind darin der Bamag gewidmet: Eilts hatte die Maurer-, Zimmermanns- und Malerarbeiten erledigt. Für den Wasserturm berechnete er 6.047,77 Mark, für das Maschinenhaus 3.756,90 Mark und weitere Kosten in Höhe von 476,05 Mark. An Zimmerleuten und Maurern führte er Ulfert Zimmering, Hermann Wilken, Diedrich Stolle und H. Janssen, A. Janssen und G. Harms auf. An Arbeitern beschäftigte er J. Hoffrogge, H. Ihnken, E. Schmidt, H. Börgmann und J. Dunker. Neben einem Steinsetzer ist noch der Maler Bents erwähnt.
Herausforderung Wassertank
Besonders der Bau des Wasserturms war eine Herausforderung für Bauunternehmer und Handwerker. Zur aktuellen Renovierung im Jahr 2008/2009 zogen die Handwerker um das Bauwerk eine schützende Plane (die wegen des Windes sechsmal erneuert werden musste). Diesen „Luxus“ konnten die Männer damals nicht genießen – und die Winter waren kalt und feucht. 9,45 Meter hoch ist der Sockel des Turms und unterhalb der Oberfläche 1,60 Meter tief im Sand mit 90 Zentimeter starken Fundamentfüßen. Ein vollständig Wind und Wetter ausgesetztes, offenes Holzgerüst umzog den Rohbau. Auf dem Sockel war ein Eisenring als Auflager für den Wasserbehälter verankert. Dann mussten die vorgeformten 6-Millimeter-Eisenbleche hochgehievt und auf dem Sockel vernietet werden. Eine körperlich ungemein anstrengende Arbeit, die sicherlich Spezialisten der Bamag verrichteten. Doch den gesamten Behälter von 6,50 Meter Durchmesser und 3,80 Meter Höhe am Boden zusammenzunieten und anschließend hochzuziehen kam wegen des Gesamtgewichtes von 11,5 Tonnen nicht in Frage.
Die Montage der Dachkonstruktion war da für die ohnehin schwindelfreien Zimmerleute eher einfach. Ebenso das Einbringen der Wasserzuleitung und der Ableitung in das Dorf. Nachdem der Hochbehälter montiert war, wurde er in einem Abstand von einem halben Meter vollständig mit einer ungefähr 5 Zentimeter dicken Monierverkleidung umhüllt. Das war eine auf eine Eisenkonstruktion aufgebrachte und mit Zementputz überzogene Drahtgitterbewehrung. Diese Verkleidung bildete die wohlgeformte und bekannte Außenhülle des alten Turms. Sie sollte Wetter und Vögel vom oben offenen Trinkwasserbassin fernhalten. Diese Hülle war besonders empfindlich, da sie heftigem Regen und Orkanböen direkt ausgesetzt war. Risse in der Hülle bedeuteten aber, dass Wasser eindringen und zu Feuchtigkeitsschäden führen konnte. Was dann später auch eintrat. Deshalb erhielt der Turm im Jahr 1961 eine Eternit-Umkleidung – eine nicht gerade schöne, aber für diese Zeit praktische Lösung.
Bleischwere Wasserrohre
Eine weitere Knochenarbeit war die Verlegung der Wasserleitungsrohre. Die 80 bis 100 Millimeter weiten Gussrohre hatten ein hohes Gewicht und mussten in die 1,50 Meter tiefen Gräben verlegt werden. An den Stellen für die Hausanschlüsse erhielten sie eine „Anbohrschelle“. Von oben wurde das Rohr dann mit einem Handbohrer angebohrt. Die Hausanschlussleitungen aus Bleirohr wurden daran aufgesetzt und eingedichtet. Auch sie besaßen wegen ihrer 6 Millimeter starken Wandung ein enormes Gewicht. Die Planvorgabe war die Verlegung von täglich 150 Metern (!) Rohrleitung, um die Arbeiten rechtzeitig beenden zu können.
Die Abwasserrohre aus glasiertem Ton lagen ebenso tief in der Erde. An einigen Stellen aber war es nicht möglich, die vorgeschriebene Tiefe herzustellen, da anzunehmen ist, dass das Grundwasser dort höher als 1,50 Meter stand. Hier wurde der Boden über den Leitungen aufgehöht. Heute sind für Wasserleitungen lediglich 90 Zentimeter Tiefe vorgeschrieben. Doch damals waren die strengen Winter deutlich länger und kälter als in den vergangenen Jahrzehnten. Auch ein Beweis der Klimaänderung.
Maurer für 55 Pfennige
Der im Bauvertrag festgelegte Fertigstellungstermin 1. Mai 1909 konnte nicht eingehalten werden. Offensichtlich lag dies nicht in der Verantwortung der Bamag und ihres Bauunternehmers Johann Eilts, denn die vereinbarte Konventionalstrafe von wöchentlich 100 Mark für den Fall des Verschuldens der Unternehmerin musste nicht bezahlt werden. Einen Arbeiterausstand, der laut Vertrag die Bauzeit um die Dauer des Ausstandes verlängert hätte, wird es wohl auch nicht gegeben haben. Die Arbeitszeiten im Jahr 1909 lagen bei täglich immerhin 10,5 Stunden. Gearbeitet wurde an sechs Tagen in der Woche. Die Maurerstunde kostete 0,55 Mark, der Installateur für die Hausanschlüsse wurde mit 1,00 Mark berechnet, sein Helfer noch mit 0,60 Mark. Auf dem Foto des Fertigstellungsfestes wohl Ende Mai/Anfang Juni 1909 für den Wasserturm sind insgesamt 39 Personen abgebildet, davon sieben Frauen und Kinder und etwa sechs „feinere“ Herrschaften, somit waren ungefähr 26 Männer mit den Bauarbeiten beschäftigt. Sie haben alle daran gearbeitet, Langeoog für die neue Zeit zu wappnen. Ihr Werk hat bis heute Bestand.
Die gegenwärtige Renovierung des Wasserturms dauert übrigens noch an. Nachdem die Hüllen gefallen sind, werden derzeit die Innenarbeiten erledigt. Voraussichtlich Ende Mai ist der „runderneuerte“ Turm wieder begehbar, die offizielle Einweihung ist für den 20. Juni geplant. In seinen Ortsführungen am 1., 18. und 24. Mai behandelt Uwe Garrels auch das Thema „100 Jahre Wasserturm“, ebenso in seinem Vortrag „Insel für Anfänger“ am 14. Mai im HDI. Über die gesamte Saison verteilt sollen Aktionen zum runden Geburtstag des Wasserturmes stattfinden. Der Leser achte auf die aktuellen Aushänge der Kurverwaltung.
Uwe Garrels,
Archivar der Inselgemeinde Langeoog
Quelle:
http://www.de-utkieker.de