Langeooger Ruderrettungsboot in schwerem Eiseinsatz im März 1942
»...kriechend über das brüchige Scholleneis den Strand zu erreichen ..."
Nach einem Originalbericht.
Bei eisigem Oststurm und dichtem Schneetreiben strandete am 5. März 1942 ein Lotsendampfer nördlich von Spiekeroog. Ein Minensuchboot und ein Vorpostenboot der Kriegsmarine versuchten trotz schwerer Treibeishinderung, die Mannschaft des Lotsendampfers, über den ständig grobe Seen hinweggingen, zu bergen. Bei dieser Aktion kenterte ein Kutter des Minensuchbootes. Die Kutterbesatzung wurde bis auf einen Mann durch das Vorpostenboot, das bei dieser Hilfeleistung selbst auf flachen Grund geworfen wurde, gerettet.
Inzwischen war auch von unserer Rettungsstation Langeoog die mit einem Ruderrettungsboot ausgerüstet ist, Alarm gegeben worden. Für das Rettungswerk stand unserm Vormann Kapitän Hillrich Kuper jr. nur das Ruderrettungsboot zur Verfügung, da die in den Nachbarstationen stationierten Motorrettungsboote wegen der völligen Vereisung des Watts und der See nicht zum Einsatz kommen konnten. Es galt nun zunächst, in dem völlig vereisten Küstengebiet eine eisfreie Stelle zu suchen. Das Boot wurde mit einem Vorspann von 8 Pferden an eine geeignet erscheinende Strandstelle gebracht, doch hatte sich überall das Eis zu so hohen Bergen gestaut, dass ein Zuwasserbringen des Bootes trotz eines Einsatzes von 40 Soldaten nicht möglich war.
Erst mit dem Einsetzen des Ebbstromes am Nachmittag wurden die gewaltigen Treibeismassen vom Strand abgesetzt und das Wasser soweit frei, dass es mit der Unterstützung der 40 Soldaten gelang, wiederum über hohe Eisberge das Boot zu Wasser zu bringen.
Nach mehrstündigem Kampf mit Eis und See gelang es dem Rettungsboot, an das stark vereiste und bereits teilweise vollgelaufene Vorpostenboot heranzukommen und 12 Schiffbrüchige in das Boot zu übernehmen. Da im Rettungsboot bereits 12 Mann Besatzung waren, so war das Boot durch das Hinzukommen der 12 Schiffbrüchigen schwer beladen. Bei sehr ungünstigem Wind und Strom wurde die Heimfahrt angetreten, aber es gelang zunächst nicht, von den Sandbänken freizukommen. Die Lage, in der sich das Rettungsboot befand, war sehr gefährlich, und es musste die ganze Kraft der Mannschaft eingesetzt werden, um von den Sandbänken freizukommen, was nach 3 1/2 Stunden schwerer Arbeit und bei 12-14 Grad Frost gelang. Mit der Flut setzte aber wiederum starkes Treibeis ein, so dass das Boot vom Eis bald fest umklammert war. Da es sich jedoch in der Mitte des Fahrwassers befand, bestand vorerst keine Gefahr, von dem Eis auf Grund gesetzt zu werden. Mit dem günstigen Strom wurde das Rettungsboot schließlich an das Ostende der Insel Baltrum geschoben. Die Eisbewegungen und die ungefähre Lage, in der sich das Boot befand, wurden durch Scheinwerfer, die von Langeoog und Baltrum das Eis dauernd beleuchteten, festgestellt. Erst um Mitternacht kam das Eis zum Stehen. Das Rettungsboot befand sich jetzt noch ca. 60 Meter vom Strand an einer Stelle mit ca. 20 Meter Wassertiefe. Da bestimmt damit zu rechnen war, dass binnen kurzer Zeit das Boot mit dem Eis wieder hinaustreiben würde, entschloss sich der Vormann Kuper, den Versuch zu machen, den Strand über das zusammengeschobene Treibeis zu erreichen. Es wurden nun Bootsriemen zu Hilfe genommen, und der Rettungsmannschaft sowie den Schiffbrüchigen gelang es, in mühevollem Ringen kriechend über das brüchige Scholleneis den sicheren Strand zu erreichen. Eine Bergung des Bootes war nicht möglich. Nach einer Stunde Fußmarsch in harter Frostnacht gelangten die Retter und die Schiffbrüchigen schließlich in Witjes Strandhotel, wo den Kranken von einer DRK-Schwester Erste Hilfe zuteil wurde. Am nächsten Tag konnte die Rettungsmannschaft zu Fuß über das Eis den Rückmarsch zum Festland antreten, während die Kranken im Schlitten transportiert wurden.
Diese Rettungstat, die wiederum Mut, Ausdauer und höchste Einsatzbereitschaft unserer freiwilligen Rettungsmannschaft zeigt, verdient höchste Anerkennung. Sie musste unter unfassbaren, kaum zu ertragenden Bedingungen durchgeführt werden.
Gleichzeitig mit der Rettungsstation Langeoog waren auch unsere Rettungsstationen Helgoland und Cuxhaven alarmiert worden. Trotz schwierigster Wetterlage liefen die Motorrettungsboote der beiden Stationen aus, ohne allerdings infolge der vorerwähnten Eisschwierigkeiten noch zum Einsatz zu kommen. Trotzdem haben die Mannschaften auch auf dieser vergeblichen Rettungsfahrt hohes seemännisches Können und Einsatzfreudigkeit bewiesen. Es handelt sich um die Motorrettungsboote »Daniel Denker« und »August Nebelthau«. Die Besatzungsmitglieder des Ruderrettungsbootes waren:
Maler Erich Bents
Seemann Harm Börgmann
Bauführer Hinrich Eilts
Lokomotivführer Alfred Veith
Frisör Heinrich Hoffrogge
Kapitän Hillrich Kuper jr.
Kapitän Johann Kuper
Kapitän Otto Leiß
Schlosser Tjard Manott
Frisör Heinrich Wilken
Dünenvorarbeiter Johann Wilken
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