#16 RE: Langeoog: Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Sonderbare Verhältnisse brachte für die ostfriesischen Inseln auch für Langeoog die Zeit der Napoleonsherrschaft und der Kontinental- sperre mit sich. Die Engländer hatten damals auf dem ihnen gehören- den Helgoland einen großen Stapelplatz für ausländische Waren einge- richtet. Das gab eine sehr verführerische Gelegenheit zum Schmuggeln. Auch von Langeoog fuhr man mit kleinen Segelschiffen ( Schaluppen, Tjalken, Kuffschiffen ), wenn die Aufsicht fehlte, wie man durch ver- abredete Signale erfuhr, nach Helgoland und holte von dort reiche La- dungen an Kaffee, Tee, Zucker, Baumwollwaren, Tabak und Knöpfen, die in den Dünen in kellerartigen Höhlen verborgen wurden. Noch anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fand man in den Dünen Langeoogs eine solche Höhle wieder auf, vollgepropft mit Kaffeebohnen, die natürlich längst verdorben waren. Auf Segel und Ru- derbooten wurde dann die Schmuggelware bei Nacht und Nebel nach dem Festlande gaschafft oder nach Bestechung des französischen Aufsichts- beamten auf Dornumersiel, der solcher Versuchung leicht zum Opfer fiel, dorthin gebracht und an die Küstenbewohner verkauft. An jedem Pfund Kaffee wurden achtzehn bis zwanzig Stüber (1M bis 1,10M) verdient. Auf Spiekeroog, Norderney und Borkum erinnern noch Schanzen, die mit Batterien besetzt waren, an diese Zeit. Im November 1813 ver- schwand dann die französische Besatzung nach Versenkung ihrer Geschütze in einer tiefen, wassergefüllten Grube sehr rasch von der Insel.
Am 3, 4. und 5. Februar 1825 hatte die Insel wieder von einer schweren Sturmflut zu leiden, in der das kleine Schlopp zwischen Melkhörn und Ostende durch die Dünen gerissen wurde. Auch in vielen Häusern drang das Wasser ein bis zur Höhe von einem Meter.
Im Jahre 1830 kam als erster Kurgast Amtsrichter von Vangerow aus Aurich nach Langeoog; er brachte bald noch einige Freunde mit, die nun auch mit dem Baden am Strande begannen, wenngleich noch keine Auskleidezellen und Badekutschen vorhanden waren. Als solche wurde ein altes Wrack am Strande benutzt. Amtsrichter van Vangerow war ein ständiger Besucher der Insel und verstand auch für sie in seinen Bekanntenkreisen zu werben. Im Jahre 1856 wurden die ersten Badekutschen am Strande aufgestellt. Großes Ver- gnügen bereitete diesen Herren namentlich auch die Kaninchenjagd.
Verwilderte Kaninchen hausten schon seit undenklichen Zeiten in den Dünen. Wie sie dort hingekommen sind, ist nicht bekannt. Doch liegt der Schluß nahe, das einst das erste Paar einem Insulaner, der sich mit der Kaninchen- zucht befaßte, entwischt ist. Sie bewohnten bald in großer Zahl die bewach- senen Binnendünen; denn diese boten ihnen ein anheimelndes und dabei für ihre Grabungen sehr leicht zu bearbeitendes Gelände, in dem sie also leicht ihre Höhlen und Schlupfgänge herrichten konnten. Nahrung bot das Land in Fülle. So vermehrten sie sich bald sehr. Die weißen und schwarzen Tiere wurden vom Seeadler u. dem auf dem Herbst und Frühlingszuge die Insel besuchenden Raub- vögel, vom Wanderfalken, Habicht u. a. am leichtesten im Gelände erspäht; sie fielen ihnen daher am ersten zum Opfer, so daß nach nicht langer Zeit nur die- jenigen Tiere noch übrig blieben und sich fortpflanzten, die ihre Farbe am meisten derjenigen ihrer Umgebung anpaßten ( protektive Schutzfärbung ). Namentlich auf dem Ostende war ihre Zahl groß. Die Kurgäste zogen auf die Jagd mit dem todbringenden Blei im Rohr, wobei jedoch sehr viele dieser flinken Hopser vor unserem Nimroden in ihre Schlupfgänge entwischten. Der Pächter des Ostendes verstand sich sehr gut auf das Ausstellen von Netzen vor ihren Schlupflöchern, in welchen dann sehr viele Kaninchen endeten. So ergaben die Tiere für unsere Inselbevölkerung manchen saftigen Braten. Aber da kam die Königliche Regierung in Aurich auf den Gedanken, daß die Kaninchen durch das Graben der Höhlen der Festigkeit der Dünen sehr schadeten, ebenso durch das Abnagen des Helms. So wurden sie dann anno 1874 samt und sonders auf Befehl der Regierung ausgerottet, und die interessanten Jagdvergnügen der Kurgäste waren nun auf immer dahin.
#17 RE: Langeoog: Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Die Bälge der in großer Zahl gefangenen Tiere wurden nach Holland und Belgien verkauft. Die Einnahme reichte hin zur Beschaffung eines Harmoniums für die ( 1885 abgebrochene ) kleine Kirche, die damals durch das gegenwärtige schöne Gotteshaus ersetzt worden ist. Zur großen Freude unseres wackeren Inselvölk- chens hielt nun auch Frau Musica auf Langeoog ihren öffentlichen Einzug. Bis dahin hatte nur ein alter Matrose an schönen Nachmittagen seinen versammelten Freunden und Bekannten --Das Schiff streicht durch die Wellen. Fridolin-- und andere See-mannslieder auf der Mundharmonika zu Gehör gebracht, wie ein alter Langeooger dem Verfasser erzählt hat.
Im Jahre 1859 erhielt die Inselgemeinde wieder eine Kirche, die freilich nur klein war, aber ihrem zweck in der ja nur kleinen Gemeinde genügte. Als einst ein sehr stattlicher Pastor auf Langeoog den Seelsorgerdienst übernahm, erlaub- te ihm die Kanzel nicht, unter der Kirchendecke aufrecht zu stehen. So mußte man den Fuß der Kanzel notgedrungen etwas erniedrigen.
Die Schulverhältnisse waren bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus recht unerfreuliche. Der Unterrichtsraum fehlte. Die --Lehrer-- waren ungebildete Leute, die von einem regelrechten Unterrichten nichts verstanden und nur neben ihrer Hauptbeschäftigung den Kindern die allerdürftigsten Kenntnisse beizubringen ver- mochten, wofür ihnen dann einige Pfennige Schulgeld gezahlt wurde. Ums Jahr 1830 wurde das Schulmeisteramt mit dem Pfarramt verbunden und der Pfarrer vom Konsisto- rium in Aurich verpflichtet, einen geprüften Gehülfen zu halten, der durch eine Anzeige in der Zeitung gesucht und gefunden wurde. Dieser hatte --Schule zu halten--. wofür er vom Pfarrer Wohnung und Verpflegung und einen kleinen Lohn erhielt. Erst im April 1880 hat das Auricher Konsistorium dieses altväterische Verhältnis aufge- hoben und auf Langeoog eine selbsständige Lehrerstelle errichtet, die einem im Au- richer Seminar vorgebildeten Lehrer übertragen wurde. Die Kinder wurden weiterhin im Pfarrhause unterrichtet, bis endlich im Jahre 1891 ein Schulhaus mit Klassenzim- mer und Lehrerwohnung erbaut wurde.
Seit mehreren Jahren besitz Langeoog nunmehr auch eine Privatschule, in welcher die Schüler durch Unterricht in alten und neuen Sprachen für die oberen Klassen der hö- heren Schulen im Norden, Jever, Aurich und Emden vorbereitet werden.
Im Jahre 1863 wurden sieben Auskleidezellen am Strande hergerichtet und für das See- bad am Strande eine Gebührvon 25& erhoben. Der Kapitän Johann Adam Leiß erbaute im selben Jahre ein kleines Hotel mit einem Speisesaal für Aufnahme und Bespeisung der Kurgäste. Einer der ersten Gäste war der Fürst von Schaumburg-Lippe. Nach ihm wurde nun der erste Inselgasthof -- Hotel zum Fürsten von Schaumburg-Lippe-- genannt, jetzt Privathaus --Luise-- am Dorfeingang. Dennoch hob sich das Seebad Langeoog nur erst ganz langsam. Emden die nächste Eisenbahnstation, war weit entfernt und die Insel von dort aus recht umständlich zu erreichen. So war es natürlich, daß die Kurgäste fast nur aus Esens, Wittmund und Jever kamen. Sie nur konnten sich mit den noch wenig ent- wickelten Wohnverhältnissen in den kleinen, aber sehr sauber gehaltenen Insulaner- häuschen abfinden.
Das Verhältnis der Badegäste zu den Insulanern war sehr freundschaftlich, waren doch die Kurgäste meist ostfriesischen Landsleute, die sich auch der plattdeutschen Mundart bedienten. So hatte das Badeleben auf unserer Insel durchaus etwas ungemein Patriarcha- lisches, Herzliches und Gemütliches an sich. Man wohnte in den kleinen --Kamers-- oder Vorderstuben der Insulaner, die sich in ihrer Wohnung auf andere Weise zu behelfen ver- standen, schliefen in den nach alter friesischer Wohnform vorhandenen Butzen oder -- Bettstä'n-- saß statt im Standkorbe, den es noch nicht gab, in den damals bei allen In- sulanerhäuschen vorhandenen Lauben aus Bocksdorn, wo man morgens seinen Kaffee trank und auch in der Regel die Abendmahlzeit einnahm, und erzählte sich seine Erlebnisse. Waren auch die Stuben nur klein und nicht sehr hochgebaut, die Butzen auch etwas unbe- quem, aber doch den meisten Kurgästen von Haus aus gewohnt, so war dennoch alles außer- ordentlich sauber und gemütlich, und man lebte unter diesen bescheidenen Verhältnissen froh und glücklich. Denn die ganze Lebenshaltung war damals viel bescheidener als in der Gegenwart. Man hatte wenig Geld und brauchte auch wenig; das Geld hatte damals ja auch eine ganz andere Kaufkraft als heutzutage.
#18 RE: Langeoog: Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Im Sommer 1870 verließen bei Kriegsausbruch die Kurgäste fluchtartig die Insel, was für die einheimische Bevölkerung ein schwerer Schlag war. Doch wurden bald in Bremen, Bremerhafen, Geestemünde u. a. O. Sammlungen für die Insulaner ver- anstaltet und so der schlimmsten Not gesteuert.
Mit dem großen wirtschaftlichen Aufschwunge des 1871 geeinigten deutschen Kai- serreiches hob sich nun ganz allmählich auch das Seebad Langeoog. So zählte es 1872 schon 380 Kurgäste, 1875: 423, 1885: 1106, 1890: 1681, 1926: bereits 6000.
Während des Weltkrieges wurde auf der Insel Langeoog eine Inselwache eingerichtet, die meist aus Insulanern bestand. Am Weihnachtstage 1915 wurde das Dorf von einem französischen Flieger mit zwei Bomben beworfen, von denen die eine in der Nähe des Nordkaaps, die zweite unweit des Wasserturms niederfiel. Beide richteten keinen Schaden an.
Nach dem Kriege wurde dem wirtschaftlich so sehr geschädigten Inselbewohnern da- durch in großzügiger Weise geholfen, daß Staat, Provinz und Kreis die Mittel ver- schafften, sämtliche auf den Grundstücken ruhenden Belastungen abzutragen.
Ein wichtiger Markstein in der Entwicklung war das Jahr 1884. In diesem Jahr wurde das Hotel Flörke ( früher Hotel Ahrenholß ) eröffnet, das mit allen neuzeitlichen Einrichtungen versehen war, was sehr zur Hebung des Fremdenverkehrs beitrug. Im selben Jahre begann der Bau des Hospizes, das am 20. Juni 1885 eingeweiht un seiner Bestimmung übergeben wurde. Der Zuzug an Gästen war so stark, daß es bereits im Jahre 1888 um das Doppelte vergrößert werden mußte. Zugleich wurde das der Gemeinde Langeoog gehörige Seebad gegen Zahlung einer Taxe entsprechend der Zahl der Kurgäste dem Klo- ster Lokkum übertragen, daß das Seebad Langeoog auch jetzt noch verwaltet. 1892 wurde die Landungsbrücke erbaut, 1901-3 das Kurhotel Falke.
Seit jener Zeit ist die Barkhausenstr. weiter ausgebaut worden, und mehrere Gasthöfe und eine Reihe von Logierhäusern und Pensionen sind entstanden, so daß das Seebad- Langeoog, wenn es nun im Jahre 1930 die Feier seines hundertjährigen Bestehens begehen kann, wohl hoffnungsfreudig einer weiteren Emporentwicklung entgegensehen darf.
12)Die Gemütlichkeit des Badelebens wurde noch erhöht, als im Jahre 1895 bei einer Sturmflut der Schoner --Aurora-- strandete, in der er von den Sturmeswogen auf die Dünen geworfen wurde. Natürlich war an ein Abbringendes Schiffes nicht zu denken. Da kauften vier Insulaner das Wrack, takelten es ab, machten den Schiffsrumpf durch einschlagen einer Tür von der Seite zugänglich und richteten hier eine öffentliche Gaststätte ein, die manchem Kurgast einen interessanten Rastort bot. Leider mußte das Wrack 1901 gaschloppt werden.
13)Friedrich Wilhelm Barkhausen, geb. 1831 in Misburg bei Hannover, gest. 1903, Staatswissenschaftler, Ehrendoktor der juristischen Fakultät Marburg und der theo- logischen der Universität Halle-Wittenberg, wurde 1873 von Falk als vortragender Rat ins Kultusministerium berufen, wo er mit der Bearbeitung der Kirchlichen Ver- fassungsangelegenheiten betraut wurde; darauf leitete er die Reorganisation des Klosters Lokkum, dessen Kurator er wurde, in dem er auch beigesetzt worden ist; seit 1891 Präsident des evangelischen Oberkirchenrats in Berlin. Auf seine Veran- lassung hat das Kloster Lokkum auf Langeoog das Hospitz gegründet und dadurch die Insel als Nordseebad erst so recht bekannt gemacht. So trägt die Straße mit Recht den Namen dieses bedeutenden und verdienstvollen Mannes.